Dichterweg 2a 99425 Oberweimar
Auf der östlichen Seite des Ilmparks erstreckt sich eine großzügige Gartenanlage den Hang hinauf; über eine lange Steintreppe führt der Weg vom Fluss an drei Springbrunnenbecken vorbei bis zum breiten Freiplatz vor der Villa Haar – das Haus steht mitsamt Garten, Remisen- und Kutscherhaus sowie Geräteschuppen unter Denkmalschutz. Mit Kalksteinpflaster ausgelegte Wege durchziehen diagonal und parallel zum Hang die von Baumgruppen, terrassierten Rasenflächen und Beeten bestimmte Anlage; sie ist der bedeutendste frei zugängliche Villengarten des ausgehenden 19. Jahrhunderts in Weimar.
Das Anwesen wurde für den Rechtsanwalt Werner Vogt errichtet, der hier von 1886 bis 1905 lebte. Der Entwurf des Weimarer Architekten Otto Minkert orientierte sich an der Anlage der Villa d’Este in Tivoli bei Rom.
Vermögend geworden durch ein großes Textilgeschäft in der Schillerstr. 5a wohnte Otto Haar mit seiner Frau Maria Wilhelmine und den Söhnen Max und Georg seit 1905 in der Villa. Die Eltern verstarben hochbetagt in den 1930er Jahren. Sohn Max, der lange das Geschäft leitete, verließ 1934 Weimar, sein Bruder Georg übernahm daraufhin gemeinsam mit seiner Frau Felicitas den Betrieb. Während sie sich intensiv um die Geschäfte kümmerte, engagierte er sich auch als Sammler von Ikonen und wertvollen Buchausgaben. (Die Sammlungen werden heute von der Klassik Stiftung Weimar betreut). Das Paar blieb kinderlos. Der Tod ihrer Söhne aus erster Ehe (Richard Huch 1939 und Friedrich Huch 1941) die Kriegszerstörungen und die aus ihrer Sicht fehlenden Lebensperspektiven in einer sowjetisch kontrollierten Gesellschaft führten wohl zum Entschluss von Georg und Felicitas Haar sich am 22. Juli 1945 das Leben zu nehmen. In einem detaillierten Testament vom 6. Juni 1945 übertrugen sie ihren gesamten Besitz der Stadt Weimar mit der Auflage, ihre Geschäfte und Immobilien als materielle Grundlage für den Betrieb der Villa als Heim für verwaiste Kinder zu nutzen.
Am 28. Februar 1947 richtete die Stadt die „Stiftung Dr. Georg Haar“ ein, löste sie jedoch 1952 in der gerade gegründeten DDR wieder auf. Die Villa mit Grundstück wurde seit 1952 als Kinderheim „Rosa Thälmann“ genutzt, die Erinnerung an die Stifter spielte keine Rolle mehr.
Im Mai 1990 sorgten vor allem Mitarbeiter der Einrichtung für die Umbenennung in „Kinderheimstätte Villa Haar“ und forderten die Wiedereinrichtung der „Stiftung Dr. Georg Haar“ – sie wurde wieder möglich durch den am 29. August 1990 erfolgten Beschluss der Weimarer Stadtverordnetenversammlung.
Einen ausführlichen Einblick in die Geschichte der Familie Haar, in die hier praktizierte Pädagogik vor 1989 sowie die vielfältigen Projekte der aktuellen Stiftung liefert die Website www.stiftunghaar.de.
Die Villa ist baulich als Kinderheim nicht mehr nutzbar. Die Vermietung für Hochzeiten und andere Veranstaltungen (www.villahaar.de) dient aktuell wie die anderen Immobilien als materieller Grundstock für die Kinder- und Jugendhilfe der Stiftung.
Literatur und Quellen
- Rainer Müller et al: Kulturdenkmale in Thüringen 4 Bd. 2: Stadt Weimar – Stadterweiterung und Ortsteile, E. Reinhold Verlag, Altenburg 2009. ISBN 978-3-937940-54-0. S. 1023–1025 (Dichterweg 2a).
- Christiane Weber: Villen in Weimar, Bd.2, Rhino Verlag, Arnstadt 1997. ISBN 978-3-932081-12-5. S. 30–31 (Dichterweg 2a) sowie S. 32–37 (Familie Haar).
- Stiftung „Dr. Georg Haar“ und Freundeskreis der Stiftung „Dr. Georg Haar“ (Hrsg.): Lebendiges Erbe. Die Stiftung „Dr. Georg Haar“ Eine Familie – Ein Ort – Eine Mission. Weimar 2011, 160 S.
- zu Otto Minkert: de.wikipedia.org/wiki/Otto_Minkert
- zu Georg Haar: de.wikipedia.org/wiki/Georg_Haar
- Gitta Günther, Wolfram Huschke, Walter Steiner (Hrsg.): Weimar. Lexikon zur Stadtgeschichte. Böhlau, Weimar 1993; 2., verbesserte Auflage, Böhlau, Weimar 1998. ISBN 978-3-7400-0807-9. S. 469 (Villa Haar) sowie S. 146-151 (Geschäftsleben in Weimar als Hintergrund für den Erfolg des Kaufmanns Otto Haar)
- Zur Villa d’Este (UNESCO-Weltkulturerbe): de.wikipedia.org/wiki/Villa_d’Este#/media/Datei:Tivoli,_Villa_d'Este,_Neptunbrunnen_und_Wasserorgel.jpg sowie whc.unesco.org/en/list/1025