Haus Hohe Pappeln

Das Haus der Familie Van der Velde

Erbaut 1907-08 von Henry van der Velde (Bauherr und Architekt)

Karte mit Position von „Haus Hohe Pappeln“

Belvederer Allee 58 99425 Ehringsdorf

Das Haus gehört zu den Hauptwerken des belgischen Architekten, Formgestalters und Malers Henry van de Velde. Er ist der Begründer der Großherzoglichen Kunstschule Weimar, heute Bauhaus Universität. Namengebend waren die Pappeln am hiesigen Papiergraben.

Van de Velde konzipierte das Haus von innen nach außen. Er schenkte bei der Anordnung der Räume dem Lauf der Sonne große Beachtung. Die Schlafräume gehen nach Osten, Speisezimmer und Kinderzimmer nach Süden, sein Atelier nach Norden.

Das Gebäude hat keine eigentliche Hauptfassade. Die in den öffentlichen Raum hineinwirkende weitgehend geschlossene Nordseite steht im Kontrast zu der in den Garten geöffneten Terrasse der plastisch geformten Südseite. Das Haus ist vom Straßenraum betont abgerückt.

Van de Velde verzichtet im Außenraum auf jegliches traditionelles Ornament. Die unverputzten mit Travertin verkleideten Wände und das dunkel gedeckte Dach verleihen dem Haus einen erdhaft schweren Eindruck.
Im Gegensatz zum Außenbau ist das Innere des Hauses übersichtlich gegliedert.

Das Haus liegt in einem Garten, der hinsichtlich seiner Gestaltung und Nutzung eng auf die Architektur des Gebäudes abgestimmt ist.

Verwendete Materialien

Mauerwerk
Mit Travertin verkleidetes unverputztes Mauerwerk.
Dach
Der 2-geschossige Bau wirkt durch das tief herabgezogene haubenförmige Mansarddach niedriger als es tatsächlich ist. Von Nordosten betrachtet, wirkt es wie ein umgestülpter Schiffsrumpf.

Stilelemente, Ornamente

Konstruktive Details wie die sichtbaren Stahlträger der Fensterstürze sowie unterschiedliche Fensterformen haben gestalterische Funktionen.

  • Rot gefasstes hölzernes Rahmengerüst im Windfang.
  • Wandverkleidung im Flur in japanischem Lackrot.
  • Ornamentale Belüftungsgitter in der Wandverkleidung zeugen in ihrer organischen Gestaltung vom Formverständnis Van de Veldes.
  • Differenzierte Oberflächengestaltung der Wände und Decken. Farben Amarantrot, Blau und Moosgrün.

heutige Nutzung, Bewohner

Museum der Klassik Stiftung Weimar
Private Nutzung der Mansardräume

Besondere Geschichtsdaten

Mit Ausbruch des 1. Weltkrieges und aufgrund vielfältiger Schikanen muß Van de Velde, nun als „verfeindeter Ausländer“ ausgegrenzt, seinen Dienst an der Kunstgewerbeschule quittieren. Er sieht sich genötigt, aus Weimar wegzugehen.

Anfang 1919 verkauft Van de Velde sein Haus für 120.000 Mark an Anna Reichenheim, geb. Eisner, Berliner Witwe eines Textilunternehmers jüdischer Herkunft. Sie bewohnte das Haus in den Frühjahrs- und Sommermonaten.

Im Herbst 1925 verkaufte sie das Haus an den Volkswirtschaftler und Juristen Dr. Heinrich Karl Franz Bichmann. Bichmann war von 1932 – 1933 Landtagsabgeordneter, im Anschluss bis 1936 Reichstagsabgeordneter der NSDAP.

1935 erwirbt Bichmann die westlich angrenzende große Parzelle und verkauft 1938 das Haus Hohe Pappeln an die Evangelische Landeskirche Thüringen als Dienstvilla zunächst für den Theologen Siegfried Leffler und seine 7-köpfige Familie. Leffler gilt als enger Vertrauter des Gauleiters Fritz Sauckel und Verfechter einer strikten Rassentrennung. Er ist Referent für Kirchenfragen im Thüringer Volksbildungsministeriums und Leiter der Bewegung „Deutsche Christen“. Mit dem fluchtartigen Verschwinden der Familie Leffler im Jahr 1945 beginnt ein unüberblickbarer Bewohnerwechsel, der zu häufigen Umbauten führt.

Mit Unterstützung der UNESCO und Förderung durch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz und das Thüringische Landesamt für Denkmalpflege wird das Haus von 1990 bis 1994 aufwendig saniert und erhält in weiten Teilen seine Ursprünglichkeit zurück.

2002 geht das Haus in Privatbesitz über und wurde 2012 an die Klassik Stiftung Weimar veräußert. Seitdem ist es als Museum für die Öffentlichkeit zugänglich.

Zu dem Wohngebäude gehört auch das:

Atelierhaus Henry van de Veldes

Belvederer Allee 59 99425 Ehringsdorf

Bauherr und Nutzer

Ein im Jahr 1912 von Henry van de Velde errichtetes Atelierhaus zur eigenen Nutzung in unmittelbarer Nachbarschaft zum Haus Hohe Pappeln. Zum Atelierhaus bestand ein Durchgang vom Garten des Hauses Hohe Pappeln. Kleines eingeschossiges Gebäude mit hohem mit Rundgaupen besetzten Mansarddach. Der verputzte Ziegelbau hat einen der Geometrie der Grundstücksfläche angepassten trapezförmig vorgezogenen Grundriss.

Heutige Nutzung

Das Haus wurde 1932 zu einem Wohnhaus umgebaut und in den 1950er Jahren nach Westen erweitert. Private Nutzung.

Literatur und Quellen
  • Antje Neumann, Thomas Föhl: Henry van de Velde, Das Haus unter den hohen Pappeln, Weimarer Verlagsgesellschaft, Weimar 2016. ISBN: 978-3-7374-0236-1.
  • Gitta Günther, Wolfram Huschke, Walter Steiner (Hrsg.): Weimar. Lexikon zur Stadtgeschichte. Böhlau, Weimar 1993; 2., verbesserte Auflage, Böhlau, Weimar 1998. ISBN 978-3-7400-0807-9.
  • Jürgen Beyer, Jürgen Seifert: Weimarer Klassikerstätten Geschichte und Denkmalpflege, Verl. Ausbildung + Wissen, Bad Homburg 1995. ISBN 978-3-927879-60-7.
  • Paul Kahl: Die Weimarer Museen. Ein erinnerungskulturelles Handbuch. Dresden 2022, 256 Seiten ISBN 9 783954 986354, S. 154–156.