Ehringsdorfer Schule

Landschule um 1900 mit ehemaligem Lehrerwohnhaus

Erbaut 1903

Karte mit Position von „Ehringsdorfer Schule“

Weimarische Straße 19 / 21 99425 Ehringsdorf

Fast 120 Jahre steht sie schon: die Schule in Ehringsdorf. Das charakteristische Gebäude mit Ziegelfassade in der Weimarischen Straße ist ein Beispiel für eine Landschule um 1900, der Schulbetrieb hat sich bis zur heutigen Zeit jedoch enorm gewandelt.

Im neuen Schulgebäude in der Weimarischen Straße gab es große helle Klassenräume. Das war ein großer Fortschritt gegenüber der alten Schule (jetzt Wohnhaus Anger 2). Dort gab es nur einen Klassenraum, in dem die Schüler bis zur 8. Klasse unterrichtet wurden. Doch Ehringsdorf wuchs und eine neue Schule war dringend notwendig. /2/

„Helle, gesunde Räume, breite Treppen und Korridore, sowie vorzügliche hygienische Einrichtungen sind geschaffen, um in jeder Beziehung den Anforderungen neuzeitiger Bildungsanstalten Genüge zu leisten. Ein geräumiger Schulhof mit Turngeräten gestattet den Kindern, auch im Freien Bewegungsspiele und Leibesübungen vorzunehmen.“ Für die weiteren Nachmittagsstunden war für die Kinder Gartenbelustigung und Bewirtung vorgesehen.

Zum Richtfest der Schule am 29. September 1902 bot Herr Leutnant Heydenreich an, das Bier unentgeltlich zu liefern, während die Gemeinde die Kosten für das Essen (75 Pfennige – damals viel Geld) übernahm. Gemeinderat und Schulvorstand wurden zu diesem Fest eingeladen.

Zur feierlichen Einweihung am 24. August 1903 wurden Ansprachen auf Seine Königliche Hoheit den Großherzog und seine hohe Gemahlin ausgebracht, in die alle Anwesenden freudig einstimmten. Gegen Abend erschien noch der Gesangverein. Das junge Volk vergnügte sich im Garten bei Gesang und Spielen, bis die Dunkelheit dem frohen Treiben Einhalt gebot. /3/

Oberweimar und Ehringsdorf wurden 1922 zu Vororten der Stadt Weimar und durch einen gemeinsamen Ortsvorsteher von Oberweimar aus verwaltet. Die Schulen beider Orte sollten zusammengelegt werden, was aber am Protest der Einwohner scheiterte. Erst im Jahre 1929 kam eine Einigung unter dem Namen Ilmschule zustande. Die Siedlung Siedlersfreud wurde gebaut, die Bevölkerungszahl wuchs. In Ehringsdorf mussten zwischen 1931 und 1933 die zwei Lehrerwohnungen, die sich im Backsteinbau im Obergeschoss befanden, in vier Klassenräume umgewandelt werden. Für die unteren Klassen galt die Koedukation, nur in den 5. bis 8. Klassen wurde nach Schülerzahl in je einer Mädchen- und Jungenklasse getrennt unterrichtet. Stets fand aber zwischen den Schulteilen je nach Bedarf ein Schüleraustausch statt. Der Schulweg zwischen der Ehringsdorfer und der Oberweimarer Schule war für die Schüler manchmal turbulent, wenn aus der Koppel der Ilmwiesen ausgebrochene Gutspferde die Pappelallee auf und ab galoppierten oder Pappelallee und ehemaliger Sandweg bei Hochwasser kaum begehbar waren.

Eine Schülerin, die 1924 bis 1932 in Ehringsdorf zur Schule ging, berichtet:

Im Backsteingebäude waren die 6. bis 8. Klassen untergebracht. Im Gebäude neben dem Schulhof hatten im Parterre die Klassen 3 bis 5 Unterricht. Es bestand ein Kampf zwischen den „Ehringsdorfer Heringsköpfen“ und den „Oberweimarer Bücklingsköpfen“. Wir vermieden, allein ins feindliche Lager zu gehen. Nun saßen Oberweimarer und Ehringsdorfer in einem Raum. Es war eine gespannte Atmosphäre. Getrennt verbrachten wir die Pausen. So manche Raufereien wurden ausgetragen, aber es gab auch gemeinsame Spiele: Lauscheck, Ball spielen, die 10er Probe, Murmelspiele, Reifen mit Stöckchen bewegen.

Ein Schüler, der die Schule 1929 bis 1937 besuchte, erinnert sich an Folgendes:

Fräulein Hemlep war eine begabte und hervorragende Pädagogin. Den Unterricht im 1. Schuljahr begann sie mit Ordnungs- und Sauberkeitskontrollen: saubere Hände und Fingernägel, saubere Schiefertafel, Lappen und nassen Schwamm, gespitzte Stifte wurden wöchentlich mit einem bunten Stammbild belohnt.

Die Weltwirtschaftskrise stürzte auch in Ehringsdorf viele Menschen in bittere Not, so dass die Familien an Hunger litten. Die hilfsbedürftigen Ehringsdorfer Schulkinder mussten so 1932 jeden Tag einen Emaillebecher mit in die Schule bringen. Sie bekamen eine Quäkerspeisung, die aus Kakao und einem Butterbrötchen bestand.

An der Ehringsdorfer Schule unterrichtete der überzeugte Nationalsozialist Schorcht, der das goldene Parteiabzeichen trug und dessen Unterricht stark auf den Führer Adolf Hitler ausgerichtet war. Die Herrn Schorcht anvertrauten Kinder mussten häufig solche nationalistischen Lieder, wie „Unsere Fahne flattert voran“ und „Heilig‘ Vaterland in Gefahren, deine Söhne sich um dich scharen“ singen. /2/

Da die Schule aus Mangel an Kohlen ab Januar 1941 nicht mehr geheizt werden konnte, bekamen die Schulkinder den ganzen schneereichen Monat über Kohleferien, die sie zum Schlitten fahren nutzten. In den ersten vier Monaten des Jahres beherrschte ein zunehmender Fliegeralarm das tägliche Leben. Frauen und Schulklassen wurden vermehrt zu Arbeiten vor allem auf dem Gut und im öffentlichen Dienst verpflichtet.

Ein Schüler, der 1939-47 zur Schule ging, berichtet Folgendes:

Ich erinnere mich noch mit Grausen an Fräulein Nikolai, eine hagere Mittvierzigerin, das dunkle Haar im Knoten fest gebunden, Hornbrille, schmale Lippen, die nie lächelten, wie sie uns kommandierend und mit dem Stock prügelnd auf Fingerkuppen, Knöchel und nackte Oberschenkel drangsalierte. So zerschlug sie mir nicht nur die Haut unterhalb der kurzen Hosenbeine, sondern auch die seitlich auf der Hosennnaht sitzenden Zierknöpfe. Dies veranlasste meine Mutter, in der damals kargen Zeit, wo nicht mal ein passender Knopf zu haben war, bei der Schulleitung zu intervenieren. Doch man ließ sich auf keine Beschwerde ein, die Erziehungsmethoden waren eben nicht zu diskutieren.

Einen großen Unterschied gab es in der Pausengestaltung der Schulen in Oberweimar und Ehringsdorf. In Oberweimar mussten wir unter Lehreraufsicht während der Pause im Kreise herumgehen: die Mädchen innen links herum, die Jungen außen rechts herum. Dem konnte man sich nur durch Pinkeln entziehen. In Ehringsdorf durften wir dagegen toben und „Haschemann“ spielen.

Besonders gern erinnere ich mich an Lehrer Vollandt, bei dem wir nach dem Krieg Unterricht hatten. Er wanderte mit uns ins Burgholz, durch Belvedere und zum Gehädrich, wusste uns seltene Pflanzen zu zeigen und öffnete uns beim Zeichnen und Malen in der Natur die Augen für alles Schöne. In der Adventszeit musizierten wir zusammen, sangen Weihnachtslieder und sagten Gedichte auf. In der Vorweihnachtszeit führten wir ein unter seiner Regie einstudiertes Krippenspiel auf.

Bei Kriegsende und bis Oktober 1945 wurde kein Unterricht erteilt. /3/ Als der Schulunterricht wieder aufgenommen wurde, waren beide Schulen überfüllt. Durch die Aufnahme vieler Flüchtlinge und Umsiedler in beiden Vororten stieg die Schülerzahl auf 1400 in beiden Schulen an. 32 bis 35 Schulklassen mussten von 50 Lehrern in nur 12 Räumen unterrichtet werden. /2/ Aus Raummangel fand der Unterricht damals in wöchentlichem Wechsel vor- und nachmittags statt. /3/

Damals wurden vier erste Klassen gleichzeitig aufgenommen. Drei kamen im Ehringsdorfer Schulhaus, eine in Oberweimar unter. Die Einführungsfeier wurde für alle gemeinsam im Saal des Gasthauses „Kipperquelle“ gestaltet, da weder Aula noch Turnhalle vorhanden waren. Anschließend wanderten alle zur Schule hin. Die Zuckertüten sollten die Kleinen, wie schon in den vergangenen Jahren, in „ihrem“ Klassenraum erhalten, den sie an diesem Tag zum ersten Mal betraten. Da fehlte nun aber einer! So wurde die Idee geboren: eine Klasse bekommt den Segen von der großen Blutbuche. Stricke dienten zum Aufhängen. Die Anregung kam aus dem Bilderbuch „Der Zuckertütenbaum“. /3/

Der Zuckertütenbaum – Nach dem Christfest kam der Ruprecht müd ins Zwergenland. Eine große Wunderzwiebel trug er in der Hand. „Pflanzt sie, pflegt sie“, sprach der Alte, „wenn ich lieg im Traum, dann wächst lustig unser neuer Zuckertütenbaum!“ Der Kinderbuchautor Albert Sixtus (1892-1960), der auch die bekannte Häschenschule erdacht hat, berichtet in eingängigen Versen davon, wo die Schultüten herkommen. Die farbkräftigen Illustrationen von Richard Heinrich verleihen dem Geschehen zusätzliche Fröhlichkeit.

Die Zeichenlehrer malten einen Teil der Bilder im Großformat ab.

Die Tradition des Zuckertütenbaums hat sich bis heute erhalten: Jedes Jahr wachsen an der mächtigen Rotbuche auf dem Schulhof die Zuckertüten der kleinen Schulanfänger.


In den Jahren 1968 bis 1970 erfolgte der Schulneubau in der Belvederer Allee 40, dem heutigen Domizil der Thuringia International School (THIS).

Anlässlich des 85. Geburtstages von Ernst Thälmann (16. April 1971) wird dieser Schule bei einem Schulappell der Name „Ernst Thälmann Oberschule“ (POS Ernst Thälmann) verliehen. Das Einzugsgebiet verlagerte sich. Die Klassen 1 bis 3 wurden zu dieser Zeit in Ehringsdorf, die 4. und 5. Klassen in Oberweimar und die 6. bis 10. Klassen im Schulneubau an der Belvederer Allee unterrichtet. Der Schulhort der Ehringsdorfer Schule, der seit 1948 bis ca. 2010 existierte, befand sich im Obergeschoss der ehemaligen Gaststätte „Zur Linde“. /2/

Bis 1989/90 lernten die Schüler der 1. bis 4. Klasse im Ehringsdorfer Schulgebäude, die Schüler der 5. bis 10. Klassen im Neubaugebäude der Belvederer Allee, der Allgemeinbildenden Polytechnischen Oberschule „Ernst Thälmann“.

Mit der Wiedervereinigung Deutschlands ging die Einführung des dreigliedrigen Schulsystems einher. Die Ehringsdorfer Schule blieb Unterrichtsraum für die Klassen eins bis vier und wird eigenständige, zweizügige Grundschule, die im Februar 1991 in Grundschule Parkschule umbenannt wird. Zu diesem Zeitpunkt werden 185 Kinder von elf Lehrern unterrichtet und von vier Erziehern betreut. /2/

Am 14. Mai 1992 gründet sich der Förderverein der Grundschule Parkschule durch Eltern, Lehrer und Erzieher. In den Jahren 1993 bis 1995 erfolgte eine umfassende Schulsanierung: Heizung, Fenster, Dach und WCs wurden erneuert, das Innere modernisiert und Brandschutztüren eingebaut. /2/ Die Kachelöfen wurde durch eine Gasheizung ersetzt. /3/

Mit der Schließung der Oberweimarer Grundschule An der Hart 1998 vergrößert sich der Schulbezirk um Gebiete Oberweimars und umfasst nun das gesamte Territorium von der Berkaer Straße und Sackpfeife über Belvedere, Ehringsdorf, Teilen von Oberweimar bis einschließlich Taubach. Im Schuljahr 2000/01 musste noch eine vierte Klasse ausgelagert in Räumen der ehemaligen Schule an der Hart unterrichtet werden.

Im Dezember 2002 beginnt die Sanierung des Nebengebäudes der Schule, dem ehemaligen Lehrerwohnhaus mit Klassenzimmern im Untergeschoss – von den Kindern „Hexenhaus“ genannt. Dach und Außenputz werden saniert, zwei Klassenräume, ein Werkraum, ein kleiner Computerraum und eine Schülerküche werden eingerichtet.

1991 wurde die Schule als Grundschule eigenständig und erhielt den Namen „Grundschule Parkschule“. Zu diesem Zeitpunkt gab es 8 Klassen mit 185 Schülern, 11 Lehrern und 4 Erziehern.

Auf Grund brandschutztechnischer Vorgaben bekam das Haupt- sowie Nebengebäude eine Brandschutztreppe, welche im Hauptgebäude umgangssprachlich als „Gangway“ betitelt wird. Diese verbindet das Hauptgebäude mit dem ab 2009 neu errichteten Pavillon. In Verbindung mit dem alljährlichen Kinder-Schulfest feierten Schüler, Eltern, Erzieher und Lehrer am 1. Juni 2010 seine Einweihung. Nun konnte der Hort zum Schuljahr 2010/2011 auf das Schulgelände übersiedeln.

2022 lernen in dieser Schule 200 Schüler in 8 Klassen der Grundschule. In der Schule unterrichten 10 Lehrer in naturwissenschaftlichen, sprachlichen und geisteswissenschaftlichen Fächern sowie Sport. Außerdem absolvieren 2 Lehramtsanwärterinnen ihren Vorbereitungsdienst an dieser Schule. Für Freizeitaktivitäten und Hort stehen 9 Fachkräfte zur Verfügung, um die Hortbetreuung und die AGs durchzuführen. Ca. 50 Eltern engagieren sich ehrenamtlich bei der Elternvertretung und im Förderverein. /2/

Literatur und Quellen
  1. Rainer Müller et al: Kulturdenkmale in Thüringen 4 Bd. 2: Stadt Weimar – Stadterweiterung und Ortsteile, E. Reinhold Verlag, Altenburg 2009. ISBN 978-3-937940-54-0.
  2. Website www.parkgrundschule.de; abgerufen am 06.03.2022
  3. Chronik 1903-2003: 100 Jahre Grundschule Ehringsdorf