Erbaut 1907
Merketalstraße 23 99425 Oberweimar
Das Haus in der Merketalstraße 23 war seit 1907 der Lebensmittelpunkt von Alexander Olbricht, hier lebte und arbeitete er bis zu seinem Tod 1942. Das Atelier wurde von seiner Frau und später von seiner Tochter bis 1992 bewahrt, es wurde im Detail erhalten und 1992 dem Stadtmuseum übergeben. Im Stadtmuseum wird es in der Ausstellung Leise Superlative. Alexander Olbricht & Marcus Behmer gezeigt. Sogar die originalen Atelierfenster wurden im Ausstellungsraum integriert.
Alexander Olbricht wurde 1876 in Breslau geboren. Sein Vater Gustav Olbricht war Maler und Restaurator. An der Akademie in Breslau erhielt er eine Ausbildung zum Landschaftsmaler. 1899 ging er zur weiteren Ausbildung nach Weimar an die Großherzogliche Kunstschule, die durch die Landschaftsmalerei bekannt geworden war. An der Weimarer Malerschule wurde Olbricht in die Klasse Theodor Hagens aufgenommen. Alexander Olbricht blieb der Landschaftsmalerei verbunden. Er erarbeitete sich jedoch seinen eigenen Stil. Seine Arbeiten sind von unmittelbarer Schlichtheit und Schönheit. Unterstützt wurde er in seiner Arbeit durch die Kunststudentin Margarete Thurow, die 1904 seine Frau wurde und durch seinen Freund, Zeichner und erfolgreichen Buchkünstler Marcus Behmer, der Olbricht folgendermaßen beschreibt: „Klein von Gestalt, (…) zart und von unendlich feinem Gliederbau, trägt dieser nur scheinbar gebrechliche Körper genau das, was man „Kopf“ nennt, ja: ein Haupt von zugleich strahlender und leiser Schönheit. Schwarz die Mähne, elfenbeinern das Antlitz. Unter der klaren, leuchtenden Stirn Augen wie Sterne. Das ist die äußere, faszinierende Erscheinung; aber von Priesterlichkeit etwa keine Spur! Ein Temperament von sprühender Lebendigkeit, Beweglichkeit, ja Streitbarkeit. … Allen Freuden der Welt, jedem Schmerz, jedem Witz, wenn er gut, jedem Spaß, auch dem derben, zugänglich. Und darunter doch in der Tiefe eine nie verlöschende Glut. Fleißig wie eine Biene … Schaffen! Schaffen! Und dann auch wieder, das Spiel, das reine, zwecklose. Und eisern jede Woche, der Weg zum Dorfkrug, auch bei Wind und Wetter, in Oberweimar, wo er mit den Bauern seinen Skat spielt, er, der feingliedrige Professor von der Hochschule.“
Seine Frau Margarete sorgte für eine Atmosphäre in der sich Alexander Olbricht geborgen fühlte. Sie ermöglichte es 1907 eine kleine Villa mit Atelier und Druckerkammer zu errichten. Hier richtete er sich für sein weiteres Schaffen ein. 1921 wurde er auf Lebenszeit zum Professor an die Weimarer Kunstschule berufen. 1935 wurde Olbricht aus politischen Gründen trotz Unkündbarkeit als 59-Jähriger aus dem Lehramt entlassen. Seine Feinsinnigkeit, die sich in seiner Kunst wiederspiegelte passte nicht zur faschistischen Diktatur. Dies und das damalige Zeitgeschehen führten zur vollkommenen Zurückgezogenheit Olbrichts, er starb 1942.
Das Wesen und die Anziehungskraft Olbrichts wird durch den Nachruf des Malers Walther Klemm anschaulich charakterisiert: „Wer ihn kannte, mußte ihn lieben. Wer einmal mit ihm in Berührung kam, verfiel dem Zauber seiner Persönlichkeit und mußte immer wieder hinauspilgern nach Oberweimar in sein stilles Haus mit dem Märchengarten und dem eigenwilligen Atelier mit so viel Licht und Blumen…Sein Menschen- und Künstlertum bildet eine Einheit, die sich in allem spiegelt: in Frau und Kindern, in Freunden, Haus, Garten und Arbeitsraum. Hier konnte man heiter ruhen und Schönheit atmen – abseits vom lärmenden Wege – versonnen und verträumt und doch so erd- und lebensnah.
Als Mensch wie als Künstler war er das Feinsinnigste, das sich denken läßt – eben etwas Einmaliges. Aus der reinsten und lautersten Liebe sind seine Werke geboren, aus jeder allumfassenden Liebe, die das Göttliche im Kleinsten und Unscheinbarsten erlebt, die groß und bescheiden, still und tief ist.“
Über Alexander Olbricht und seine Arbeiten, sowie über sein Haus und den Garten soll an dieser Stelle nicht weiter berichtet werden. Es gibt hierzu Literatur z.B. Villen in Weimar (Bd. 2) einen Artikel, der sowohl den Künstler als auch das Haus mit seinem Garten beschreibt.
Auf die Arbeiten Alexander Olbrichts wird in Büchern, wie „Vierundzwanzig Zweige. Der erster Schnee – 2 Folgen“ oder „Alexander Olbricht Zeichnungen“ (Insel-Bücherei Nr. 1085) und „Leise Superlative Alexander Olbricht & Markus Behmer“ (Klassik Stiftung Weimar) eingegangen.
Sein Nachlass wurde von der Familie Olbricht der Klassik Stiftung Weimar übergeben.
Die Erinnerung seiner Nichte Jutta Oswald, die sie an seinen Sohn Peter schrieb, beschreiben in wunderschöner Weise den Geist des Hauses und seiner ehemaligen Bewohner:
Erinnerungen sind das einzige Paradies, aus dem man nicht vertrieben werden kann,“ sagt ein Sprichwort.Willst Du mich begleiten auf meinem Gang in die Erinnerung, dann komm und gib mir die Hand. Ich führe Dich eine staubige, steile Straße hinauf bis fast auf die Höhe. Aufatmend stehen wir beide vor einem Tor, das zum Eintreten einlädt. Und schon empfängt uns eine angenehme Kühle von vielen grünen Büschen und Bäumen. Auf einem etwas holprigen Weg gelangen wir zum Hauseingang, die Stufen beiderseits eingerahmt von 2 steinernen Bänken. Weißt Du, daß man diese nicht nur zum Sitzen benutzen kann, sondern vor allem um ein Schneckenwettrennen zu veranstalten?
Aber laß’ uns links um das Haus herum gehen, dann stehst du vor einer langen Rabatte von Monatserdbeeren. Pflücke einige davon und laß’ Dir den unvergleichlichen Geschmack auf der Zunge zergehen. Aber vergiß darüber nicht, Dir den großen Steingarten mit den seltensten Pflanzen, die Du jemals gesehen hast, anzusehen. Ganz leise mußt Du sein, wenn Du die Igelfamilie besuchen möchtest, die ihr Zuhause an der warmen Mauer des Nachbargrundstückes hat.
Nun gehen wir weiter um das Haus herum. Von der Veranda aus geht ein schnurgerader Weg in den hinteren großen Obstgarten. Rechts und links stehen die Johannisbeersträucher in Reih’ und Glied. Rote, weiße und schwarze Beeren hängen daran. Oh’ diese schwarzen mußt Du probieren, sie sind süß und herb zugleich, einfach köstlich!
Aber bevor wir beide den großen Obstgarten erobern, wollen wir uns vor das Haus setzen, im Teich die Goldfische bewundern, die Augen schließen und dem Plätschern des Springbrunnens zuhören.
Kannst Du Dir vorstellen, daß hinter dem Teich ein Rosengarten zu bewundern ist, ein Kunstwerk aus vielerlei Rosenbeeten mit glitzernden Rosenkugeln in allen Farben dazwischen, und das Ganze umschlossen von einer mannshohen Buchsbaumhecke? Es ist wie ein Märchengarten und ich muß an Dornröschen denken. Die Rosen verbreiten einen betörenden Duft.Laß uns weitergehen und laß Deinen Blick schweifen über all’ das köstliche Obst, was an den Bäumen hängt – rot, gelb, grün und blau, lugt es zwischen den grünen Blättern hervor.
Du möchtest wissen, wer dieses Paradies geschaffen hat? Mach die Augen zu und stell’ Dir diese „Zauberfrau“ vor. – Da kommt sie an, im Gartenkleid und großer Schürze, in deren Taschen sie das aufgesammelte Fallobst gesteckt hat, und lehmverschmierten Schuhen. Sie geht geradewegs in ihr altes Glashaus, legt das Obst in einen der vielen Körbe, die auf allen Regalen, Tischen und Stühlen stehen, sortiert und schichtet es von hier nach da. Und wenn die Abendsonne sich verabschiedet, sitzt sie auf ihrer Bank und ist glücklich.“
Jutta Oswald in einem Brief an Peter Olbricht, Sohn des Malers