Bodelschwinghstraße 78 99425 Oberweimar
Die Fürnbergschule ist die erste nach dem 2. Weltkrieg erbaute Neubauschule in Weimar. Sie wurde am 1. September 1959 mit einem großen Festakt und großer Anteilnahme der Bevölkerung eröffnet. Für ca. 650 Schüler der 1.-9. Klasse begann der Unterricht. Herr K. Creutzburg wurde zum Direktor ernannt, er leitete die Schule ca. 30 Jahre lang.
Der Architekt der Schule ist Bruno Weschke. Als Grundlage für die Planung diente ihm eine Studie von Walter Nitsch für eine 20- Klassen-Schule aus dem Jahr 1956.
Der Bau steht frei auf einem großen Gelände oberhalb des Ilmparks. Das Gebäude ist in verputzter Ziegelbauweise errichtet. Der langgestreckte, dreigeschossige Klassentrakt liegt in großem Abstand parallel zur Straße. Dazwischen ist mit Bäumen und Büschen bewachsenes Wiesengelände. Die Fassade der Schule wird durch großflächige Fenster dominiert. Sie sind gegliedert, so dass sie als gestalterisches Element die Fassade auflockern. Die Gliederung hat aber vor allem sehr praktische Gründe. Die sehr großen Fenster könnten wohl kaum geöffnet werden. So bleibt die große Glasfläche verschlossen, ein kleiner Seitenflügel kann leicht geöffnet werden, ein unterer waagerechter Teil kann gekippt werden. Das macht eine große Helligkeit und eine gute Durchlüftung auch während des Unterrichts möglich. Aus heutiger Sicht ein ganz wesentlicher Aspekt.
Besonders großzügig ist die Schule mit Kabinetten für Kunsterziehung, Musik, Biologie, Chemie, Physik und Werken ausgestattet. Sie ermöglichen einen anschaulichen und effektiven Unterricht. Im Obergeschoss befindet sich eine große, lichtdurchflutete Aula mit Bühne. Sie ist für künstlerische Auftritte von Schülern, für Feierstunden und vieles mehr geeignet. Zwei rechtwinklige abbiegende Nordtrakte führen zur Turnhalle und einer Hausmeisterwohnung. Dazwischen ist ein Arztzimmer eingerichtet, das vor allem zu regelmäßigen dentalen Vorsorgeuntersuchungen genutzt wurde. Der Haupteingang befindet sich am nördlichen Ende des Klassentraktes. Er führt zu einer sehr großräumig angelegten Eingangshalle und Zugängen zum Lehrer- und Direktorenzimmer sowie Sekretariat.
Vor einer polierten Muschelkalkwand steht eine kleinere Nachbildung des Fürnbergdenkmals im Park.
Hinter der Schule liegt eine ungewöhnlich große unbebaute Freifläche mit gepflastertem Pausenhof, Bäumen und Bänken, einem Schulgarten und Sportanlagen. Es gibt ein großes Spielfeld für Ballsportarten und eine Weitsprunganlage. So wird es möglich gemacht, dass der Sportunterricht im Freien stattfinden kann.
Die Schule ist nicht lange nach dem 2. Weltkrieg, als Mangelwirtschaft und Wohnungsnot herrschten, erbaut worden. Einiges, was als Besonderheit angeführt wurde, ist bei heutigen Schulen Standard. Aber für die damalige Zeit sind Bau und Ausstattung bemerkenswert großzügig, fast luxuriös. Sicher wurde sie als Modell für zukünftige Schulen projektiert, aber auch als Vorzeige- und Prestigeobjekt. Das Schulgebäude ist noch heute für Schüler und Lehrer ein wirklich besonderer Ort.
Wie bereits erwähnt, begann am 1. September 1959 der volle Schulbetrieb. Schon im Mai 1959 fand unter großer Anteilnahme der Bevölkerung die Namensgebung der Schule statt. Genau am 24. Mai 1959, am 50. Geburtstag Louis Fürnbergs. Leider konnte er dieses Fest nicht miterleben, da er bereits 1957 mit 48 Jahren verstorben war. Louis Fürnberg war Kommunist. Unter Einsatz seines Lebens hat er unerschütterlich für eine menschlichere, gerechtere Welt gekämpft. Er war aber vor allem auch Dichter, Journalist und Komponist. Sein Werk ist in 6 Bänden im Aufbauverlag erschienen. 2 Bände davon sind Gedichtbände. Seine Lyrik ist von tiefer Menschen- und Naturliebe erfüllt, leicht zugänglich und von klangvoller Sprache. Er schrieb auch Gedichte, die zum Aufbau einer neuen Welt aufrüttelten, und für das Politische Kabarett. Besonders im Deutsch-, Musik- und Zeichenunterricht haben die Schüler ein enges Verhältnis zu seinem Werk entwickelt. Die Schauspielerin Linde Sommer hat über viele Jahre Rezitationszirkel geleitet, die dieses Verhältnis vertieft haben. Jedes Jahr am 24. Mai wurde seiner gedacht; alle 5 Jahre fand eine Festwoche statt mit Gedenkfeiern und einem Fürnberglauf u.a.m. Besonders beeindruckend für die Schüler war immer ein Besuch in der Rilkestraße 17. Frau Fürnberg und ihre Mitarbeiterin Frau Poschmann haben dort gern Schulklassen empfangen und sie auf interessante, lebendige Weise mit Fürnbergs Leben und Werk vertraut gemacht. Regen Anteil hat Frau Fürnberg an der Entwicklung der Schule genommen und sie unterstützt.
Louis Fürnberg wurde 1956 kurz vor seinem Tod mit dem Nationalpreis und 1969 nach seinem Tod mit dem Kunstpreis der Stadt Weimar ausgezeichnet. Einen Großteil des Preisgeldes hat Frau Fürnberg für die musische Erziehung an der Schule gespendet, so für den Kauf von Instrumenten, Büchern usw.
Der Name Louis Fürnberg stand nicht nur über der Tür, er wurde auch mit Leben erfüllt.
Dann kam die Wende 1989. Fürnberg hat in Gedichten die kommunistische Partei und die Sowjetunion gelobt, weil er glaubte, durch sie würden seine Träume von einer gerechteren und menschlicheren Welt Wirklichkeit. Wer hätte zu dieser Zeit wissen können, dass einst die Sowjetunion unter Stalin Andersdenkende verfolgt und diese von einem grausamen Diktator regiert wird. Sein lebens- und sein literarisches Werk wurden auf diesen Irrtum reduziert. Die Schule sollte umbenannt werden. Lehrer, Eltern und Schüler haben sich ganz entschieden für den Erhalt des Namens eingesetzt. Die Schule heißt noch so, aber das Namensschild über der Eingangstür ist verschwunden. Im Eingangsraum an der linken Wand steht, leicht zu übersehen: Louis-Fürnberg-Grundschule.
Die Schule wurde umstrukturiert, Grund- und Oberschule wurden getrennt und erhielten eigene Direktoren. Die Oberstufe wurde der Parkschule zugeordnet. Seit 2006 ist sie Grundschule.
Zwei Denkmale in Weimar erinnern an Louis Fürnberg. Eines steht zwischen Schloss und Ilm am Parkeingang. Gestaltet wurde die Bronzebüste 1961 von dem Bildhauer Martin Reiner und der Travertinsockel von Franz Dospiel. Ein anderes steht unterhalb der Kaufhalle an der Bodelschwinghstraße. Es ist eine „Hommage à Fürnberg“ mit seinem „Epilog“. Geschaffen haben es Lutz Hellmuth und Dietmar Lenz 1982.
Anlässlich des 60. Todestages von Louis Fürnberg hat der Direktor der Gedenkstätte Buchenwald, Herr Volkhard Knigge, veranlasst, dass Fürnbergs Arbeits- und Bibliothekszimmer aus der Rilkestraße 17 originalgetreu in einem Raum des Verwaltungsgebäudes der Gedenkstätte Buchenwald aufgestellt wurde. Berührungspunkt dazu ist die Ermordung von Fürnbergs Bruder Walter im KZ.
Zur Einweihung dieses Raums fand am 23. Juni 2017 eine Gedenkfeier statt. Fürnbergs Tochter Alena sagte in dieser: „Es geht dabei nicht um uns, sondern um das Erhalten einer sinnlichen Erinnerung an einen Dichter und das Individualschicksal einer Generation, die durch die Hölle ging und trotzdem die Utopie und Hoffnung auf eine menschenwürdige Gesellschaft nicht verlor.“ Louis Fürnbergs Leben und das seiner Frau Lotte Fürnberg sind Beispiel dafür. So ist die Schule mit ihrem Namen ein würdiges Denkmal dafür.
Louis Fürnberg wurde am 24. Mai 1909 in der mährischen Stadt Iglau als Sohn eines verarmten jüdischen Kleinunternehmers geboren. Seine Mutter starb kurz nach der Geburt, der Vater heiratete erneut, und die Familie zog nach Karlsbad, wo sein Bruder Walter geboren wurde. Im mondänen Karlsbad prallten die sozialen Gegensätze besonders hart aufeinander. Schon mit 19 Jahren tritt Louis Fürnberg in die kommunistische Partei ein, um gegen die bittere Armut und die gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten zu kämpfen.
1932 gründet er die Gruppe „Echo von links“ für die er dichtete und komponierte. Er wollte mit den Versen die Menschen aufrütteln, für eine bessere Welt zu kämpfen: „Das neue Leben muss anders werden, als dieses Leben, als diese Zeit. Dann darf’s nicht Hunger, nicht Elend geben, packt alle an, dann ist es bald soweit“, schrieb er. Die Gruppe hatte großen Zulauf und trat u.a. in Moskau und Paris auf.
1937 heiratete er Lotte Wertheimer. Sie entstammt einer sehr wohlhabenden deutsch-jüdischen Fabrikantenfamilie und brach aus der vorgegebenen Bahn aus, indem sie den Beruf der Bibliothekarin erlernte, und der KP beitrat. Beide kämpften nun gemeinsam und wurden, als Hitler 1939 die CSR überfällt, verhaftet. Frau Fürnberg kann nach England fliehen. Louis Fürnberg erlitt in 13 verschiedenen Gefängnissen unvorstellbare Erniedrigungen und Folterungen. Er wurde fast taub geschlagen, sein Gesundheitszustand war sehr angegriffen. Trotz allem war sein Mut ungebrochen, und er dichtete unter den widrigen Umständen weiter. Besonders berührend ist sein Gedicht „Nußbaumblatt“, das in seiner Gefängniszeit entstand.
Das Nußbaumblatt
Louis Fürnberg
Heut hat der Wind ein welkes Nußbaumblatt
in unsern schmalen, kalten Hof getragen,
der nichts als eine hohe Mauer hat.
Da haben wir die Hände ausgestreckt
danach, die schweigend wir den Hof durchschritten;
was so ein Blatt für Sommerwünsche weckt.
Und einer fing’s in seiner hohlen Hand
und hielt es zart und zärtlich an die Wange,
ein Nußbaumblatt, von Juliglut verbrannt;
und reicht es dem, der hinter ihm ging stumm…
der küßte es, und so im Weitergange
ging es, ein welkes Blatt, geküßt reihum.
Lotte Fürnbergs Großvater hatte Louis mit sehr viel Geld freikaufen können. Beide trafen sich nach Irrfahrten wieder, und es begann eine gefahrvolle, entbehrungsreiche und kräftezehrende Flucht quer durch Europa bis nach Jerusalem. In dieser Zeit wird ihr Sohn Mischa geboren. Erst 1946 nach 7 Jahren Exil und Flucht können sie die Heimreise antreten. Sie war mit vielen Hindernissen verbunden. U.a. wurden sie 4 Wochen in einem Zeltlager in der Wüste Sinai in El Shat festgehalten. Und das bei brütender Hitze, schlechten hygienischen Bedingungen und Hunger.
Endlich heimgekommen, müssen sie erleben, dass ihre gesamte Familie durch die Nazis ausgelöscht worden ist.
Louis Fürnberg wurde Botschaftsrat der CSR in Berlin, bis die Familie 1954 nach Weimar übersiedelte. Sie bezogen das Haus Rilkestraße 17. Hier arbeitete er als stellvertretender Direktor der Forschungs- und Gedenkstätten für klassische deutsche Literatur und wurde Mitglied der Akademie der Künste. Er widmete sich begeistert seinen Aufgaben, aber sein Gesundheitszustand war seit langem angegriffen. Dieser verschlechtert sich zunehmend, so dass er nur unter größten Anstrengungen arbeiten kann. 1955 erleidet er einen schweren Herzinfarkt. Er spürt zunehmend, dass seine Kräfte zu Ende gehen und sein Wunsch „Alt möcht ich werden“ nicht in Erfüllung gehen wird. Die Puhdys haben daraus einen erfolgreichen Song gemacht.
Am 23. Juni 1957 starb Louis Fürnberg mit 48 Jahren. Auf dem historischen Friedhof Weimar hinter der Fürstengruft liegt er begraben.
Jeder Traum, an den ich mich verschwendet,
Louis Fürnberg
jeder Kampf, wo ich mich nicht geschont,
jeder Sonnenstrahl, der mich geblendet –
alles hat am Ende sich gelohnt.
Jedes Feuer, das mein Herz gefangen,
jede Sorge, die mein Herz beschlich,
war’s oft schwer, so ist’s ja doch gegangen
Narben blieben, doch es lohnte sich.
Unser Leben ist nicht leicht zu tragen.
Nur wer fest sein Herz in Händen hält,
hat die Kraft, zum Leben ja zu sagen,
und zum Kampf für eine neue Welt!
Jeder Tag ist in mein Herz geschlossen,
der auch mich zu diesem Dienst beschied.
Was ich singe, sing’ ich den Genossen,
ihre Träume gehen durch mein Lied.
Literatur und Quellen
- Louis Fürnberg: Ein Lesebuch für unsere Zeit, Aufbau-Verlag, Berlin und Weimar 1982, ISBN 978-3-351011-19-2.
- Chronik der Fürnbergschule
- Rainer Müller et al: Kulturdenkmale in Thüringen 4 Bd. 2: Stadt Weimar – Stadterweiterung und Ortsteile, E. Reinhold Verlag, Altenburg 2009. ISBN 978-3-937940-54-0, S. 1022-1023.