Klosterweg 99425 Oberweimar
Oberweimar ist einer der Siedlungskerne, aus denen die Stadt Weimar entstand, seit Ende des 12. Jahrhunderts zum Herrschaftgebiet der Grafen von Orlamünde gehörend. Doch die Tallage mit ihren Karstquellen ist schon sehr viel früher besiedelt worden. Nicht zuletzt wird hier eine Furt durch die Ilm vermutet, was dem Gebiet auch eine strategische Qualität verlieh. Diese Aspekte werden die Orlamünder veranlasst haben, hier ein Kloster zu gründen, das nun zum Ausgangspunkt der Ortslage wurde und durch die Jahrhunderte auch deren Zentrum blieb.
Der „Plan“ als zentraler Dorfplatz ist heute durch Bautätigkeiten seit dem 18. Jahrhundert kaum noch auszumachen und nicht zuletzt die Straßenverbreiterungen und die Einrichtung der Ampelkreuzung veränderte die Situation erheblich. Und doch, wer sich etwas Zeit nimmt und durch das weitläufige Areal des ehemaligen Klosters schlendert, kann viel entdecken und sich von diesem besonderen Ort inspirieren lassen.
Markantestes Gebäude ist natürlich die Kirche Sankt Peter und Paul. Dass ihr Chor nicht korrekt nach Osten wie sonst üblich ausgerichtet ist, wird der Nähe zur Ilm, Überbauungen und anderen Platzgründen geschuldet sein. Sie überrascht Besucher durch ihre Größe und Ausstrahlung, gibt sich aber als einstige Klosterkirche kaum zu erkennen. Erst ein Gang in den Nonnengarten an der Nordseite lässt diese Vergangenheit anschaulicher werden.
Über die Frühzeit des Klosters, dessen Anfänge bis ins 12. Jahrhundert zurückgehen, gibt es viele Vermutungen, widersprüchliche Angaben und wenig gesicherte Zeugnisse. 1244 wird ein Zisterzienserinnen-Konvent in „Oberenwimare“ urkundlich erwähnt. Nachgewiesen wurden viele Bestattungen im Kirchenschiff, eine Gruft und im Nordosten Mauerreste aus dem 12. Jahrhundert. Zeugnis der Orlamünder ist der gut erhaltene Doppelgrabstein des Grafen Friedrich I. von Orlamünde und dessen Gemahlin Elisabeth von 1365. Ihm ist der Löwe als Sinnbild der Tapferkeit und ihr der Hund als Zeichen der Treue beigegeben. Eine Tochter des Grafenpaares trat 1373 ins Kloster Oberweimar ein und wurde später dessen Äbtissin.
Das spätromanische Relief im Tympanon über dem Haupteingang zeigt Christus als Weltenrichter. Heute befindet es sich über dem Südportal. Dies ist aber nicht der ursprüngliche Einbauort.
Da die Kirche unverputzt ist, lassen sich von außen viele Veränderungen, Vermauerungen und manche Spolien entdecken. Die Hauptmasse der Umfassungswände stammt aus dem 14. Jahrhundert. Einige im Inneren erhaltene Fresken aus gotischer Zeit legen nahe, dass die Kirche zu jener Zeit ausgemalt war. Die heute dominierende barocke Innenausstattung stammt aus dem Jahre 1733.
Zu erwähnen ist auch noch der Flügelaltar von Veit Thym. einem Schüler Lucas Cranachs d. J. aus dem Jahre 1572. Er weist im Mittelteil Parallelen zum berühmten Cranach-Altar in der Weimarer Stadtkirche auf. Thym übermalte ein älteres Altarbild. Auf der Rückseite blieb ein Bildwerk aus dem 13. Jahrhundert (?) erhalten. Bis zur barocken Umgestaltung der Kirche wird der Flügelaltar im Zentrum des Altarraumes gestanden haben.
Das Oberweimarer Kloster war nicht in den Zisterzienserorden eingegliedert. Immer wieder gab es auch Zeiten, in denen man sich eher an die Benediktinerregeln hielt. Auf diesem Hintergrund sind wohl auch die Arbeiten am Kirchturm zu sehen, der für ein Zisterzienserkloster untypisch ist. Zum Geläut gehört noch immer die Bronzeglocke von 1506, auf der zu lesen ist: “Hilf Sanct Anna Selbdritt“. Ob der Turm 1516/17 insgesamt neu gebaut oder nur erhöht wurde, ist nicht ganz geklärt. Ebenso die Besonderheit, dass der Papierbach durch den Turm Richtung Ilm fließt.
Nach 1525 wird das Kloster im Zuge der Reformation aufgelöst. Sechs Nonnen nehmen das Bleiberecht bis ans Lebensende an. 1570 stirbt die letzte von ihnen.
Zwischen Kirchenschiff und Turm befindet sich das Lukardisgewölbe, das zum ältesten Teil des Klosters gehört. Mit seinem Namen erinnert es an die berühmte Nonne Lukardis. 1286 trat die 12-jährige Patriziertochter aus Erfurt ins hiesige Kloster ein. Berühmt wurde sie durch Stigmatisierung, Visionen und Krankenheilung. Sie starb 1309 und wurde selig gesprochen.
Nach der Säkularisierung wird das Klostergut Kammergut und erfährt mannigfaltige Umbauten und Nutzungsänderungen. In den Gebäuden entlang der Ilm sind in den vergangenen Jahrhunderten beispielsweise Kornmühle. landwirtschaftliche Gebäude, Brauerei, Wäscherei, Elektrizitätserzeugung und Wohnhäuser untergebracht. Heute befindet sich hier der Komplex der Freien Waldorfschule. Der Kornspeicher an der Ostseite des Nonnengartens bleibt in dieser Funktion bis ins 20. Jahrhundert. Auf dem malerischen Gelände des Pfarrgartens sind einige Teile von kleineren Nebengebäuden erhalten, ebenso im Pfarrhaus.
Die ehemalige Ölmühle des Klosters am Papierbach wird zu einer der ersten Papiermühlen des Herzogtums. Berühmtester Kunde war Johann Wolfgang von Goethe. Exportiert wurde bis nach England und selbst Brockhaus druckte auf Oberweimarer Papier. Ab den 1920er Jahren rentierte sich die Papierproduktion nicht mehr. Heute dienen die noch erhaltenen Teile Wohnzwecken.
Dass der Bach einst offen von der nördlich gelegenen Herzquelle durch das Tal, entlang der Papiermühle und über den Plan floss, um im Nonnengarten einen Laufbrunnen (?) zu speisen, lässt sich nur noch stückweise nachvollziehen. Aber im Pfarrgelände ist er noch zu bewundern, durchströmt den Turm und mündet bald danach in die Ilm. Doch zuvor sorgte er beispielsweise von Anfang des 20. Jahrhunderts bis nach 1945 für den nötigen Antrieb, um Farben für den Künstlerbedarf herzustellen. Zu den Kunden gehörte die Weimarer Malerschule und man konnte sogar auf eine Niederlassung in New York verweisen. Heute befindet sich hier die Tischlerei Thormeyer.
Die einstige Klosterkirche ist Pfarrkirche der Evangelisch-Lutherische Kirchgemeinde Oberweimar-Ehringsdorf. Während des Sommerhalbjahres kann sie tagsüber besichtigt werden. Ebenso steht der Nonnengarten Besuchern zum Verweilen offen.